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'One of these days I'm going to cut you into little pieces' |
Nach Rogers Ausstieg aus Pink Floyd standen David Gilmour und Nick Mason alle Wege offen, die Geschicke und die Musik von Pink Floyd nach ihrem alleinigen Willen zu gestalten. Sie standen aber auch vor einem riesigen Scherbenhaufen, den man nicht ohne weiteres zusammenfegen konnte. In den letzten 8 Jahren waren Pink Floyd in eine "wateresque" Musikrichtung abgedriftet, die immer weniger dem entsprach, was Pink Floyd eigentlich ausmachte - die hypnotische Musik. Des weiteren mussten Rogers Zweifel an Pink Floyd widerlegt werden, was keine leichte Aufgabe für die beiden verbliebenen Musiker war. Dave hatte sich durch seine Tätigkeiten als Gastmusiker und Produzent einen randvollen Terminkalender zugelegt, der für ein Floyd-Projekt praktisch keinen Raum freiließ. Hinzu kam noch das typische Problem von Pink Floyd, welches sie seit 'Wish You Were Here' mit sich herumtrugen: Man hatte keine Ahnung, was man als nächstes tun könnte.
Die Presse zelebrierte Abgesänge auf Pink Floyd und auch die Plattenfirmen zeigten nicht sonderlich viel Vertrauen in eine Band, die nur noch aus einem Gitarristen und einem inaktiven Drummer bestand. Capitol Records hatte auf 'The Final Cut' schon 1983 reagiert und noch schnell im Alleingang den Sampler 'Works' auf den US-Markt gebracht, um bei Rogers damaliger Ankündigung des Endes von Pink Floyd noch schnell ein paar Dollar zu verdienen; Works beinhaltet Songs aus der Ära bis 'Dark Side of the Moon', darunter das bislang nicht als Studioversion veröffentlichte 'The Embryo'. Des weiteren findet man darauf noch Versionen anderer alter Floyd-Titel, die jedoch teilweise anders abgemischt sind. Dieses von Pink Floyd nicht autorisierte Release ist jedoch nur für Sammler interessant und bietet nichts wesentlich neues.
Roger hingegen wurde sofort wieder aktiv und nahm 1986 ein neues Projekt in Angriff. Er schrieb Teile des Soundtracks zu dem abendfüllenden Zeichentrickfilm 'When The Wind Blows'. Dieser Film beschreibt das Leben eines alternden Pärchens, welches einen Atomkrieg überlebt und an den Folgen zugrunde geht - ein Thema, welches ganz nach Rogers Geschmack war. Diesem Soundtrack folgten die Vorbereitungen zu einem Projekt, welches wie 'The Wall' aus einem Album, einer Bühnenshow und einem Film bestehen sollte: Radio K.A.O.S.
Während Roger 1986 an 'Radio K.A.O.S.' werkelte, fasste sich Dave ein Herz und nahm Pink Floyd nach 4 Jahren Pause wieder in Angriff. Er hatte Songkonzepte für ein neues Gilmour-Album in Arbeit, Songmaterial war also vorhanden. Sein erstes Problem war jedoch, daß ein Gitarrist und ein Schlagzeuger in den seltensten Fällen ausreichen, um eine Band zu formieren. Dave zog dementsprechend einen Trumpf aus dem Ärmel, an dem Roger bei seiner Trennung von der Band einige Monate zuvor nicht mehr gedacht hatte: den ahnungslos in Griechenland schlummernden Rick Wright. Rick hatte sich nach dem 'Zee'-Reinfall und dem mißlungenen Versuch eines musikalischen Portraits über den brasilianischen Fußballstar Pele aus dem Musikbusiness zurückgezogen und keinerlei Ambitionen mehr, wieder einzusteigen. Als er jedoch davon Wind bekam, daß Dave und Nick ein Floyd-Projekt ohne Roger Waters auf die Beine stellen wollten, war er nicht mehr zu bremsen. Im Sommer 1986 traf er sich daraufhin mit David Gilmour in dessen Ferienhaus auf der griechischen Insel Lindos und bot dem mittlerweile ausgesprochen dick gewordenen Dave seine Dienste als Mitglied von Pink Floyd an. Dave war jedoch von dieser Offerte hinsichtlich Ricks Leistungen auf 'The Wall' nicht gerade begeistert, er hatte vielmehr an einen Auftritt als Gastmusiker gedacht.
Während des Live-Aid-Auftrittes hatte David Gilmour den Keyboarder Jon Carin näher kennengelernt und lud ihn zu einer Session in seinem Tonstudio ein. Während dieser Session spielte Jon Carin auf seinen Keyboards eine Akkordfolge, die Dave sehr gut gefiel. Als Dave sich auf die Suche nach Musikern begab, lud er Jon Carin ein und präsentierte ihm einen Song namens 'Learning To Fly', welcher diese Akkordfolge enthielt und versprach John, ihn in den Credits zu erwähnen, falls der Song auf einem Album erscheinen würde (ein Zug, den man von Roger niemals hätte erwarten dürfen und den man als symptomatisch für die Floyd in der Post-Waters-Ära sehen kann).
Zusammen mit dem 'Roxy Music'-Gitarristen Phil Manzanera schrieb Dave als nächstes einen Song namens 'One Slip', als er sich die Mithilfe eines ehemaligen Floyd-Kollaborateurs sicherte: Bob Ezrin. Ezrin war von Roger zur Mitarbeit an 'Radio K.A.O.S.' eingeladen bekommen, hatte aber nach eigenen Worten schon alleine bei dem Gedanken, mit Roger zu arbeiten, kalte Füße bekommen und entschied sich angesichts Daves Einladung und einer großzügigen Beteiligung an den Tantiemen für das Projekt von Pink Floyd. Daves und Bobs erste große Sorge war, daß ein Floyd-Album auf jeden Fall ein Konzept bräuche, um nicht als lächerlich zu erscheinen. Hierzu sicherten sie sich die Mithilfe von Eric Stewart, der kurz zuvor Paul McCartney aus einer Patsche geholfen hatte, und den Poeten Roger McCough. Letztendlich entschieden sich Dave und Bob jedoch für ein lockeres Leitmotiv, welches durch das neue Album führen sollte. Welches Leitmotiv dies sein sollte, war allerdings keinem der beiden klar. Die Idee hatten sie, als sie Daves neues Tonstudio in seinem Hausboot 'Astoria' bezogen, welches einige Kilometer vor London auf der Themse ankerte. Sie entschieden sich für das Leitmotiv eines Flusses.
Das Fluss-Projekt drohte jedoch, in der Themse abzusaufen. Die EMI und CBS waren von dem existierenden Songmaterial alles andere als begeistert und bei einem Treffen an Bord der Astoria zogen sie Dave die Ohren lang und bemängelten, daß sich die Musik überhaupt nicht nach Pink Floyd anhöre und höchstens für ein Soloalbum von Dave geeignet sei. Dave sicherte zu, das Material zu überarbeiten und ihm einen floydianischen Touch zu geben. Dave wuchsen die Probleme über den Kopf und Roger lachte sich ins Fäustchen; und nur wenige Personen auf dieser Welt konnten sich ein Floyd-Projekt ohne Roger Waters vorstellen. Durch die Abwesenheit Rogers musste sich Dave auch auf vernichtende Kritiken einstellen, aber er nahm das gewaltige Risiko auf sich und arbeitete weiter an einem Floyd-Album, anstelle den leichten Weg eines Soloalbums zu wählen. Aus Rücksicht auf das Echo der Öffentlichkeit kam Dave letztendlich auf Rick zurück und holte ihn nach London, denn seine Anwesenheit auf dem Album war für die Glaubwürdigkeit des ganzen Projektes unabdingbar. Rick bekam einen Vertrag als Gastmusiker. Viel zu tun gab es für ihn jedoch nicht mehr, Jon Carin und Bob Ezrin hatten die Synthesizerparts nahezu fertig und für ihn blieb nur noch ein Solo bei 'On The Turning Away' übrig, welches beim Endmix jedoch gestrichen wurde. Ricks Anwesenheit hatte jedoch eine nicht unerhebliche Wirkung auf Dave und Nick, die dadurch das Gefühl hatten, wie in alten Tagen zu arbeiten, was ihnen eine große Portion der Angst vor der ungewissen Zukunft nahm.
Im März 1986 traten Nick und Dave zusammen bei einer Veranstaltung von Amnesty International auf, dem 'Secret Policeman's Third Ball'. Dave begleitete seinen Zögling Kate Bush auf der Gitarre und spielte zusammen mit Nick im Finale 'I Shall Be Released' von Bob Dylan. Bei dieser Veranstaltung näherte sich Dave dem Drummer von Nik Kershaw, Gary Wallis, und fragte ihn ohne große Umschweife ob er Lust hätte, mit Pink Floyd auf Tournee zu gehen.
Im Sommer erhielt Roger Waters eine Anzeige von Steve O'Rourke, der ihn beschuldigte, Provisionen in Höhe von 25.000 Pfund zurückzuhalten. Roger ignorierte dies jedoch, bis er im Herbst 1986 feststellen musste, daß er sich mit seinem Prognosen gehörig verschätzt hatte. Bei einer Vorstandssitzung von Pink Floyd Music Ltd. erfuhr er, daß Dave, Nick und Steve endgültig beschlossen hatten, daß das neue Album unter dem Namen Pink Floyd erscheinen würde. Darüber hinaus musste der mittlerweile schon recht geschockte Roger erfahren, daß für die zukünftigen finanziellen Angelegenheiten von Pink Floyd ein eigenes Konto eröffnet worden war. Roger drehte durch und gab den ersten Schuß im Floyd-Krieg ab, einer Prozeßserie, die wohl zur größten Schlammschlacht im Rockbusiness werden sollte.
Am 31. Oktober begab sich Roger vor Gericht und versuchte einen richterlichen Beschluß zu erwirken, der die Partnerschaft von Pink Floyd und damit auch die Gruppe selbst auflöse. Hierdurch wäre ein Neuformierung der Band ohne sein schriftliches Einverständnis nicht mehr möglich gewesen, da seine Kündigung hinfällig geworden wäre und er somit noch Rechte an dem Namen hätte.
Am 11. November schossen Pink Floyd zurück und gaben in der Öffentlichkeit bekannt, daß sie zusammen mit Rick Wright und dem Produzenten Bob Ezrin an einem neuen Album arbeiteten.
Am Tag darauf musste Roger erfahren, daß seine Bemühungen vor Gericht umsonst waren, weil der Partnerschaft von Pink Floyd keinerlei Verträge zugrundelagen. Diese Partnerschaft war also inoffiziell, eine Auflösung wäre bedeutungslos. Roger beantragte daraufhin in höchster Instanz, daß sämtliche Mitglieder von Pink Floyd (ihn eingeschlossen) deshalb ein Mitspracherecht bei sämtlichen Aktivitäten Pink Floyds betreffend eingeräumt bekämen und begründete es damit, daß Pink Floyd Music Ltd. zum Nutzen der gesamten bei der Gründung im Jahr 1973 beteiligten Bandmitglieder eingerichtet worden war und deshalb entsprechend den Wünschen der damals Beteiligten handeln müsse. Eine solche Entscheidung hätte dann bewirkt, daß Roger alles hätte blockieren können, was Teil von Veranstaltungen von Pink Floyd gewesen wäre, zum Beispiel die Verwendung von Mr.Screen oder dem Schwein auf Konzerten.
Pink Floyd reagierten auf diesen erneuten Blockadeversuch mit folgender Pressemitteilung: "Die Stärke von Pink Floyd lag immer in den Fähigkeiten der vier Mitglieder Gilmour, Mason, Waters und Wright. Natürlich werden wir Rogers künstlerische Akzente vermissen, aber wir werden trotzdem wie bisher weiterhin zusammen arbeiten. Wir sind erstaunt über Rogers Ansicht, daß sich die Band kreativ erschöpft haben soll, zumal er bei dem aktuellen Projekt nicht beteiligt ist. Wir sind mit dem aktuellen Material sehr zufrieden und würden es vorziehen, das Publikum das in Kürze erscheinde neue Floyd-Album beurteilen zu lassen."
Mittlerweile hatten Pink Floyd Storm Thorgerson mit dem Entwurf des Covers des neuen Albums beauftragt, welches den Arbeitstitel 'Delusions of Maturity' trug. Storm griff das Motiv des Flusses auf und verband es mit einer Textzeile aus dem Song 'Yet Another Movie', "Visions of an empty bed". Dave schlug vor, ein verlassenes Bett in einem Haus am Mittelmeer als Motiv zu wählen, als Sinnbild für längst vergangene Beziehungen, die nur Spuren hinterlassen haben (eine Anspielung auf die aktuelle Position von Pink Floyd). Storm griff auch diese Idee auf, zog es jedoch vor, anstelle von mehreren Spuren gleich mehrere Betten aufzustellen - und bestellte umgehend 800 Betten gleicher Bauart. Diese 800 Betten stellte er an einem Strand am Mittelmeer in der Form eines Flusses auf, womit die Idee mit dem Leitmotiv des Albums verbunden war. Das Aufstellen der Betten war eine Heidenarbeit, sie mussten an den Strand getragen und frisch bezogen werden, die Fußspuren musste man verwischen. Als man fast fertig mit der Arbeit war, fing es an zu regnen - und die Betten mussten schnellstmöglich wieder ins Trockene gebracht werden. Der Aufwand lohnte sich jedoch, das Cover ist eindrucksvoll und man ist versucht zu glauben, daß es sich um eine Fotomontage handelt, was jedoch nicht der Fall ist.
1987 brachte Roger Waters hoffnungsvoll sein Album 'Radio K.A.O.S.' heraus und erlebte eine Bauchlandung. Pink Floyd hatten sich letztendlich dazu entschieden, das neue Album 'A Momentary Lapse of Reason' zu nennen und organisierten eine Werbeaktion, die ganz in der Tradition vergangener Zeiten stand: Ein riesiges aufblasbares Bett wurde ohne weitere Erklärung an einem Boot angebracht, welches in London die Themse entlangfuhr.
Vor dem Erscheinen des Albums liefen fünfmonatige Vorbereitungen zu der neuen Show von Pink Floyd an. Dave und Nick nahmen sich sämtliche Lieder von Pink Floyd vor und beurteilten sie einzeln, ob man sie für die Konzerte verwenden konnte. Sie legten vor allem darauf Wert, daß Rick an den meisten Songs mitgearbeitet hatte. Ursprünglich planten sie, 'The Dark Side of the Moon' in voller Länge zu spielen, verwarfen diesen Gedanken jedoch wieder, da sie davon ausgingen, daß die Konzertbesucher auch Titel von 'Wish You Were Here' und 'The Wall' hören wollten. Auf 'Animals' und 'The Final Cut' verzichteten sie vollends. Als einzige Songs der Ära vor 'The Dark Side of the Moon' wurden 'Echoes' als Eröffnung des Konzertes und 'One of These Days' zur Eröffnung der zweiten Konzerthälfte eingeplant. Nick Mason schlug noch 'Astronomy Domine' vor, aber Dave überzeugte ihn davon, daß sie mittlerweile zu alt dafür wären, die Jupitermonde zu besingen und man hiermit dem Publikum nicht mehr gegenübertreten könne.
Das Schwein wurde einer Geschlechtsumwandlung unterzogen, um Copyrightansprüche von Roger Waters zu umgehen, außerdem wurden die Augen durch Scheinwerfer ersetzt. Eine Verwendung von Mr.Screen war logisch und als neues Showelement einigte man sich auf eine Lasershow. Des weiteren stand auch die mittlerweile ebenfalls zu einem Kultobjekt gewordene Spitfire auf der Liste der Utensilien, hinzu kam noch die Puppe eines aus Stoffetzen bestehenden Adlers. Pink Floyd hatten sich vorgenommen, die bislang aufwendigsten Konzerte zu geben und die bisherigen Entwürfe der dafür notwendigen Bühne übertrafen alles bisher Dagewesene. Sie war mit einer Breite von 52 Metern nur 11 Meter schmäler als die Mauer bei den Wall-Konzerten, mit ihrer Höhe von 27 Metern stellte sie einen neuen Weltrekord auf. Durch diese Ausmaße wurde es problematisch, einen Ort für die Proben zu finden, weshalb man schließlich einen Flugzeughangar in Toronto für einen Zeitraum von 5 Wochen reservieren ließ. Das Soundsystem wurde überarbeitet und in der Leistung etwa verdoppelt. Außerdem sollte dies die erste Welttournee von Pink Floyd werden. Die Kosten für die Vorbereitungen waren immens, die Vorfinanzierung belief sich auf einen Betrag von drei Millionen Dollar, die Dave und Nick aus ihren eigenen Taschen bezahlten. Das Risiko war selbst Steve O'Rourke zu hoch, um hier bei der Finanzierung zu unterstützen. Rogers Anstrengungen Pink Floyd zu stoppen waren noch nicht abgeschlossen und eine schnellstmögliche Veröffentlichung von 'A Momentary Lapse of Reason' hatte höchste Priorität.
- (c) 1993-2000 Ralf Ramge -