Zur Startseite der Pink Floyd Story
Zur Pink Floyd Story Startseite

Kapitel 10 - The Return of the Son Of Nothing

'Planets sitting face to face
bound to the air of life, how sweet
in ever single fighting pace
the planet here is deep in space

Echoes might this once were land
And give us leave to share as one
Our two lights in the land
For one light can

And in that coming to the one
The parting sighs sound as one
I see you've got to travel on
And on and on around the sun ...

Almost everyday you fall
Upon my waking eyes
Inviting and inciting me
To rise
And through the window in the wall
Come streaming in on sunlight wings
A million bright ambassadors of morning

And no one sings me lullabies
And no one makes me close my eyes
So I throw the windows wide
And call to you across the skies ...'

1970 hatten Pink Floyd ihr Hauptaugenmerk auf die USA gerichtet und die Rechnung ging in Verbindung mit 'Atom Heart Mother' auf: Die eigenartig klingende Underground-Truppe hatte es geschafft, sie waren ein fester Begriff in der amerikanischen und europäischen Musikwelt geworden. Bei einer Leserumfrage des Melody Maker deklassierten sie die Rolling Stones, die Who und Led Zeppelin und landeten hinter Emerson, Lake & Palmer auf Platz zwei. Allerdings war auch offensichtlich, daß sie den Erfolg in erster Linie ihren multimedialen Experimenten und weniger ihrer Musik zu verdanken hatten. 'Ummagumma' und 'Atom Heart Mother' verkauften sich weltweit wie warme Semmeln und Pink Floyd verdienten zum ersten Mal richtig Geld, aber der ganze Trubel wurde schnell Routine. Die vier Musiker wurden von einer Arbeitswut befallen und in seinem Statement vom 22. Dezember sagte Nick Mason dazu: "Bis vor kurzem waren wir in akuter Gefahr, vor Langeweile zu sterben; inzwischen ist jedoch diese Depression von uns gewichen, denn wir haben endlich eine ungefähre Basis für dieses neue Projekt. [...] Es liegt an uns, so schnell wie möglich vorwärts zu machen. Im Augenblick machen wir ab und zu ein paar Konzerte. Roger findet zwar, daß wir überhaupt nicht arbeiten sollten; ich empfinde es jedoch als Erleichterung, ab und zu Schlagzeug spielen zu können. [...] Wir müssen uns jetzt unbedingt zusammenraufen, im wahrsten Sinne des Wortes. Vorher war es immer so, daß uns die Leute mit 'Tu dies!' und 'Tu das!' und 'Ihr müsst für LP-Promotion auf Tournee!' kommen konnten - und gleichzeitig versucht man verzweifelt kürzer zu treten, aufzutanken. [...] Wichtig ist, daß man ans Publikum rankommt, sie einer phantastischen Erfahrung aussetzt, etwas tut, das ihr Phantasiespektrum erweitert."

Nach dem Erfolg von 'Atom Heart Mother' änderte sich zunächst der Lebensstil der Musiker. Nick und Rick waren beide Vater geworden und kauften eigene Häuser. David zog nach Essex auf einen Bauernhof, kaufte Pferde und verbrachte dort seine freie Zeit. Roger dagegen hatte sich seiner Freundin Judy Trim ideologisch angepasst. Sie war linksextrem, Kommunistin und konnte es sich als einziger Mensch der Welt erlauben, Roger zusammenzustauchen und hatte einen großen Einfluß auf ihn. Dementsprechend kaufte er von seinem Geld ganze Häuserzeilen in London und vermietete sie billig an Arme, während Roger und Judy mit einer vergammelten Wohnung in Islington vorlieb nahmen. Roger entwickelte sich zu einem eingefleischten Sozialisten und Trotzkisten; er ging sogar so weit, seinen nagelneuen Jaguar E in einen Mini einzutauschen, denn ein solcher Wagen widersprach seinen sozialistischen Prinzipien. Wie sich seine Weltanschauung allerdings mit seiner Absicht vereinbarte, der "berühmteste Musiker zu werden und die Rockmusik zu revolutionieren" (Melody Maker 05/73) und als Endziel der Band "eine komplette Theatershow in London" zu erklären, ist ein Rätsel. Jedenfalls hatte er keine Hemmungen, Pink Floyd in diese Richtung zu steuern.

Pink Floyd gönnten sich keine Pause und begannen bereits am 4. Januar 1971 mit den Aufnahmen zu einem neuen Album, die am 21. Oktober abgeschlossen wurden. Dazwischen lagen unzählige von Gigs in ganz Europa, aber der Grund für die lange Vorbereitungszeit liegt woanders: David Gilmour bastelte an der Musik und hatte keinen Schimmer, wie er seine vielen Ideen unterbringen sollte. Er sagte dazu "Im Grunde genommen sind wir die faulste Band aller Zeiten. Andere Gruppen wären wahrscheinlich geschockt, wenn sie sehen würden, wie wir unsere Studiozeit vergeuden. Im Januar haben wir insgesamt 36 kurze Stücke aufgenommen. Da es eigentlich nur Songfragmente waren, hatten wir keinen blassen Schimmer, was wir eigentlich damit anfangen sollten. Daher nannten wir sie 'Nothing Parts 1-36'."

Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, daß diese 36 Songfragmente in dem wohl revolutionärsten Song der Rockgeschichte enden sollten. Die 'Musiker', Dave und Rick, brachten ihre Ideen auf Band und die 'Architekten' Roger und Nick bastelten sie zu einem Konzept zusammen; sie versuchten es zumindest, denn das Ganze erwies sich als äußerst schwierig. Es erwies sich als Glückfall, daß Rick auf einem Klavier herumklimperte, welches über ein Mikro mit einem Leslie-Verstärker gekoppelt war und eine bestimmte Taste anschlug - das Ergebnis war ein Feedback, welches an den 'Ping' eines U-Boots erinnert. Dave hing zu dieser Zeit im Kontrollraum herum und hörte das Geräusch, stürmte zu Rick und das Leitmotiv war gefunden. Danach ging alles ziemlich schnell und das neue Mammutlied war schnell koordiniert und erhielt den Namen "Return of The Son of Nothing". Der Kritiker Lenny Kaye sagte dazu: "Alle Segmente sind Teil eines nahtlos verzahnten, sich ständig ändernden Kontinuums von Motiven und Themen. Manchmal tritt ein Song an die Oberfläche, nur um sofort von den Gezeiten erfasst und wieder weggespült zu werden. In klassischer Floyd-Manier ist 'Return of The Son of Nothing' mit 4/4-Tempi ausgestattet, die sich langsam zu dramatischen Crescendi aufbauen und sich dann in überraschende weil bisher ungehörte Richtungen weiterentwickeln und demonstrieren, daß die Band die Kunst der Gliederung beherrscht."

Im Mai erschien ein Sampler namens 'Relics' auf dem Markt. Angesichts der enorm gestiegenen Popularität der Band erschien es als nötig, ein 'Greatest Hits'-Album auf den Markt zu bringen. Zur Zeit ist 'Relics' nicht als CD erhältlich; es war kurze Zeit in Neuseeland unter dem Label 'Axis' zu haben, allerdings gab es Copyrightschwierigkeiten und die CD verschwand schnell vom Markt. Diese CD hat nicht das von Nick Mason gezeichnete Originalcover sondern vielmehr das Cover der Japan-Ausgabe der LP, ein Foto mehrerer römischer Münzen. Es war einmal beabsichtigt, 'Relics' im Rahmen eines Box-Sets auf den Markt zu bringen, aber dieses Vorhaben wurde nie in die Realität umgesetzt. Im Sommer 1994 wurde eine remasterte Version aus Holland angekündigt, aber seitdem hat man davon auch nichts mehr gehört.

'Relics' ist für Fans auch als LP eine lohnenswerte Anschaffung. Auf Seite eins befinden sich 'Arnold Layne', 'Interstellar Overdrive', 'See Emily Play', 'Remember A Day' und das nur als Single erhältliche 'Paint Box'. Seite 2 birgt das ebenfalls seltene 'Julia Dream', eine weitere Variante von 'Careful With That Axe, Eugene', 'Cirrus Minor', 'The Nile Song', die bis dato unveröffentlichte Aufnahme von 'Biding My Time' und 'Bike'.

Am 15. Mai wurde "Return of The Son of Nothing" im Londoner Crystal Palace uraufgeführt und die musikalische Krise von Pink Floyd beendet. Sie stellten den Titel als das Kernstück des neuen Albums vor. Die Präsentation des Songs stellte wiederum ein Novum dar: Im Mittelteil des Songs wurde ein Teich mit Trockeneis vernebelt, der sich zwischen den Zuschauern und der Bühne befand. Aus diesem Teich erhob sich dann langsam eine 15 Meter große aufblasbare Riesenkrake, während am Himmel Feuerwerksraketen explodierten. Unangenehmer Nebeneffekt dieser Show war, daß die Goldfische im Teich wegen der extrem hohen Lautstärke nach dem Konzert mit dem Bauch nach oben an der Wasseroberfläche trieben.

Im Juli brachten sie die Aufnahme des Stücks, mittlerweile auf den Namen "Looking Through The Knotholes In Grannies Wooden Leg" umgetauft, über die Bühne. Es sollte das zweite Stück werden, welches eine komplette Seite eines Albums belegen sollte. Für die Aufnahme des Liedes stand übrigens zum ersten Mal sechzehn Spuren zur Verfügung; bei 'Atom Heart Mother' hatten sie sich noch mit acht begnügen müssen.

Wie bei 'Atom Heart Mother' sollte das neue Album eine Reihe eigenständiger Songs enthalten. Auch der populärste Titel des Albums entstand durch ein Experiment: Roger spielte einen Bass über Syd Barretts altes Binson-Echogerät, was einen dunklen Rhythmus ergab. David begann damit, auf das Echo mit seiner Gitarre in der gleichen Tonlage zu antworten - und fertig war eine Art 'Space-Boogie', ein weiteres Konzept, mit welchem keiner etwas anfangen konnte. Um daraus ein Lied zu entwickeln legte man über den Mittelteil ein schweres Vibrato, welches an Motorengestottere erinnerte und packte noch zwei Spuren wilder Gitarrensoli, Klavier, Synthesizer und das Rauschen eines Windes hinzu. Nick Mason sprach die Textzeile "One of these days I'm going to cut you into little pieces" - allerdings rückwärts. Dieser rückwärts gesprochene Satz wurde wiederum rückwärts abgespielt, was dem ganzen einen eigentümlichen Klang verleiht. 'One of These Days' war geboren.

Am 3. Oktober fand eine erneute BBC-Session mit dem DJ John Peel statt, und wieder fragte er nach, wie er die Titel ankündigen sollte. 'Return of The Son of Nothing' wurde hier kurzerhand in 'Echoes' umgetauft, ebenso wurde kurz vor dem Auftritt noch der Text geändert. Aus dem Science-Fiction-Stück wurde ein Unterwasser-Thema. Bei dieser Radiosendung wurde 'One of These Days' erstmalig vor einem Massenpublikum gespielt - Peel kündigte es an als "ein Lied über die aktuelle soziale Lage namens 'One of These Days (I'm Going To Cut You Into Little Pieces)'" (zu hören auf dem ROIO 'Eclipse', Great Dane Records, GDR CD 8904). Als Roger Waters 1987 während eines Auftrittes danach gefragt wurde, WEN er denn in kleine Stücke schneiden wollte, lüftete er dieses Mysterium: Die betreffende Person sei ein Disk Jockey namens Jimmy Young gewesen und der Song als ein persönlicher Angriff auf ihn gedacht gewesen. Was genau die Antipathie gegen Jimmy Young bei Roger hervorrief, kann nicht genau gesagt werden - aber Roger hatte schon vorher oftmals Andeutungen in seine Richtung gemacht. Bei frühen Aufführungen von 'One of these Days' ertönte des öfteren eine Collage von Sequenzen aus Jimmy's Radiosendung aus den Lautsprechern, bevor der eigentliche Song begann. Auf dem RoIO 'Lost in the Corridors' hört man auch Auszüge aus dieser Sendung während 'Alan's Psychedelic Breakfast' ("And here's for you, monkey doo", "Georgia, lovely greenwood" und anderes).

Der Text von "Echoes" wurde geändert. Der ursprüngliche Text hatte, wie die älteren Texte von Pink Floyd, ein Science-Fiction-Thema. Die ursprüngliche Version ist unter anderem auf den RoIO's "Lost in the Corridors" und "Mauerspechte" zu hören, beide aufgenommen am 5. Juni 1971 in Berlin. Auch Aufnahmen des Konzerts von Rom, 20. Juni 1970, weisen diesen alternativen Text vor. Des weiteren noch ein knappes Dutzend Aufnahmen anderer Konzerte, die beiden hier erwähnten sind jedoch am häufigsten anzutreffen. Der Originaltext lautete:

'Planets singing face to face
Bound to the air and light, how sweet!
If purposely we might embrace
The perfect union deep in space

Ever might this once relent
And give us leave to shine as one
Our two lights singing better
Than one light can

And in that longing to be one
The parting suns shine as one
I'll see you've got to travel on
And on and on, around the sun'

Letztendlich wurde das Album in den Studios noch vervollständigt. 'Fearless' war das erste Lied aus einer langen Reihe von Titeln, die sich mit Syd Barrett befassten. Zu Beginn und am Ende von 'Fearless' hört man eine Menge von Liverpooler Fußball-Fans die Hymne ihres Vereins, 'You'll never walk alone' singen. Der Text dieser Sequenz lautet "And you'll never walk/alon/in the dark/alone/LIVERPOOL!" (auch der Romanautor Douglas Adam's dessen Weg später den von Pink Floyd kreuzen sollte, hatte diese Hymne in seinem Roman "The Hitchhiker's Guide to the Galaxy" verwendet. Am Ende von Kapitel 17 wird dieses Lied von Eddie gesungen).

Die restlichen Songs erscheinen nur als Lückenfüller: 'Saint Tropez' ist eine laue Strandballade (Nick Mason: "Dave brachte die Musik und Roger den Text fix und fertig ins Studio. Wir mussten nur noch die Akkorde lernen."), 'A Pillow of Winds' nichts halbes und nichts ganzes, 'Seamus' ist ein langweiliger Blues der praktisch nur aus Hundegeheul besteht und als schlechtester Song von Pink Floyd gehandelt wird; David Gilmour meinte dazu, daß die Aufnahmen zwar spaßig gewesen seien, es aber besser gewesen wäre, wenn sie den Song nie gemacht hätten. Kurz nach Abschluß der Studioaufnahmen hatte Roger Waters noch die Idee zu einem Song namens 'Dark Side of The Moon', welcher das Thema Syd Barrett noch genauer als 'Fearless' behandelte, aber dieser Song wurde vorerst auf Eis gelegt.

In der ersten Augustwoche klingelte bei Storm Thorgerson das Telefon. Pink Floyd waren gerade auf ihrer ersten Japan-Tournee und die Anrufer waren Roger und Nick, die ihn mit einem neuen Cover beauftragten. Zum ersten Mal ließ man hier Storm keine freie Hand; stattdessen nagelte man ihn auf das Konzept eines überfluteten Ohres fest. Diese Idee erwies sich als schwer umsetzbar; das Ohr ist auf der CD schwer zu erkennen und die Wellen im Wasser sollen die Schallwellen darstellen. Storm Thorgerson bezeichnet es als das schlechteste Cover aus der Hipgnosis-Werkstatt, tröstet sich aber damit, daß das Konzept von der Band vorgeschrieben wurde. Er ist der festen Überzeugung, daß seine eigene Coveridee besser gewesen wäre: Seine Nahaufnahme vom Anus eines Pavians wurde von der Band aber nunmal abgelehnt.

Auch der Titel des Albums erwies sich als Kalauer. In Japan saßen Pink Floyd eines Abends in ihrem Hotelzimmer und kamen auf den Namen 'Meddle', einem Wortspiel zwischen 'Medal' und 'to meddle' im Sinne von 'interferieren'.

'Meddle' stieß auf unterschiedliche Resonanz bei den Kritikern. Der Record Mirror bezeichnete es als fantastisch, der New Musical Express immerhin noch als außergewöhnlich gutes Album; ansonsten hagelte es Verisse. Der Rolling Stone bezeichnete es als 'Floyd-Killer vom Anfang bis zum Ende', der Melody Maker konnte überhaupt nichts damit anfangen und betitelte die Rezension mit 'Viel Lärm um nichts'. Die Kapazitäten, die in 'One of These Days' und 'Echoes' schlummerten, wurden nicht erkannt. Ersteres entwickelte sich zu einem Dauerbrenner und 'Echoes' legte mit seinen neuentwickelten Harmonien den Grundstein für Musiker wie Mike Oldfield und die folgenden Alben von Pink Floyd; noch heute wird 'Echoes' von vielen Kritikern als Meilenstein der Musikgeschichte gefeiert. Anbetracht dessen, daß 'Echoes' und 'One of These Days' zusammen fast drei Viertel des Albums ausmachen kann man auch verzeihen, daß zwei der Lückenfüller grottenschlecht sind.

'Meddle' ist das Album, mit welchem Pink Floyd ihren musikalischen Stil endgültig gefunden und sich von Syd Barrett gelöst hatten. Die musikalische Entwicklung von 'Set The Controls For The Heart Of The Sun' über 'A Saucerful Of Secrets', 'Careful With That Axe, Eugene' und 'Atom Heart Mother' musste zwangsläufig zu 'Echoes' führen; stellte sich die Frage, wie die Entwicklung weitergehen würde. Auch Roger Waters konnte diese Frage nicht beantworten, aber eines stand für ihn fest: Er würde alles daran setzen, um die Kritiker mundtot zu machen.

- (c) 1993-2000 Ralf Ramge -