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"....we came in?" |
Am 22. Dezember 1967 fand ein weiteres musikalisches Großereignis statt: 'Christmas on Earth Revisited', Olympia, London (der Name stammt von einem gleichnamigen Film der amerikanischen Underground-Filmerin Barabara Rubin). Diese Veranstaltung war ein kommerzielles Wagnis und wurde zu einem grenzenlosen Flop. Einerseits unverständlich, denn Jimi Hendrix, The Pink Floyd, The Soft Machine und The Move traten auf, andererseits war Olympia viel zu groß für eine Underground-Veranstaltung und es kam keine rechte Stimmung auf. Syd ging es an diesem Abend wieder schlecht, er zupfte kein einziges Mal an den Saiten und sang kein Wort. Es war der letzte größere Auftritt von Syd Barrett zusammen mit The Pink Floyd.
David Gilmours Erfahrungen im Musikbusiness waren damals auch nicht sonderlich berauschend. Er tingelte mit seiner Band Joker's Wild des öfteren über den Kontinent, das Programm aus Cover-Versionen bekannter Songs motivierte ihn jedoch nicht sonderlich. Anfang 1967 hatten Joker's Wild ihren Namen auf The Flowers geändert, um nach dem Platten-Debakel von 1965 wieder einen Plattenvertrag zu bekommen, was jedoch nicht klappte. Im Juli 1967 lösten sich The Flowers auf und Dave Gilmour, John Wilson und Ricky Wills (er spielte später bei Foreigner) machten als Trio namens 'Bullitt' weiter.
Ende 1967 hielt sich Dave in London auf und besuchte ein Konzert von The Pink Floyd - und war entsetzt. Es war ein typischer Syd-Barrett-Katastrophen-Gig gewesen und Dave war über die Verwandlung seines alten Freundes sehr erschüttert. Nick Mason sah Dave im Publikum -und legte den Grundstein für Syds Ausstieg aus der Band. Nach dem Auftritt trat er an Dave heran und sagte zu ihm "Behalte es für Dich - aber hättest Du Lust, später einmal zur Band zu stoßen? Eventuell werden wir einen neuen Gitarristen brauchen."
Es wurden damals Pläne geschmiedet, die Band zu vergrößern. Syd Barrett wollte zwei seiner LSD-Kumpels in die Band holen, einen Saxophonisten und einen Banjo-Spieler, stieß bei Roger jedoch auf erbitterten Widerstand. Nick sprach mit ihm über Dave Gilmour - und Dave erhielt am 25.12.1967 einen Anruf. Roger fragte ihn, ob er Lust hätte, bei The Pink Floyd einzusteigen und Dave antwortete spontan mit einem "Ja". Dave erzählte später, daß ihn die Aussicht auf Ruhm und Mädchen wahnsinnig reizte, wesentlich mehr als die Musik.
Die Integration von Dave in die Band wurde nicht an die große Glocke gehängt, es geschah schon regelrecht heimlich. Dave erhielt einen ersten Vorschuß und spazierte in ein Musikgeschäft in Cambridge, in welchem zu diesem Zeitpunkt auch der Sex Pistols-Chronist Lee Wood anwesend war: "Dave kam in das Geschäft und verlangte ohne zu zögern diese sündhaft teure Fender Stratocaster, zog ein dickes Bündel Geldscheine aus der Tasche und bezahlte diesen Traum jedes Gitarristen in bar. Ich bekam Stielaugen, als ich das sah - wo hatte er nur das ganze Geld her?"
Nick, Roger und Rick holten Dave mit dem Hintergedanken in die Band, ihn bei ihren Auftritten als Gitarristen einzusetzen und Syd Barrett als Songschreiber zu behalten. Es machte sich bezahlt, daß Dave Gilmour Syd in frühen Tagen das Gitarrespielen beigebracht hatte - Syds Spielweise glich daher der von David schon gewaltig, im Gegensatz zu Syd war Dave jedoch ein fantastischer Gitarrist, der beste Musiker, den die Floyd je hatten. Dave hatte daher keine Probleme, auf der Bühne und im Studio Syd perfekt zu imitieren.
Peter Jenner bestand darauf, daß Syd Barrett als Songschreiber bei der Band bleiben sollte: "Wenn man mir damals gesagt hätte, daß sie ohne Syd die erfolgreichste Band der Welt werden würden ... mit Syd hätte ich es geglaubt, aber ohne ihn? Niemand sonst konnte brauchbare Songs schreiben; wenn es unbedingt notwendig war, konnte Rick Melodien ausbrüten und Roger die Texte dazu schreiben. Aber Roger schrieb nur, weil Syd schrieb. Rick hatte lange vor Roger mit dem Komponieren begonnen."
Am 6. Februar 1968 wurde in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, daß David Gilmour ein vollwertiges Mitglied von The Pink Floyd wurde.
Am 11. Februar hatte David Gilmour seinen ersten Auftritt mit der Band in den Medien. Es handelte sich um die Sendung "Top Gear" von BBC Radio One, eine John Peel-Session. (Anm. für Fans, da über die John-Peel-Sessions ziemlich viel Unfug verbreitet wird: Sie spielten 'Vegetable Man', 'Pow R. Toc H.', 'Scream Thy Last Scream' und 'Jugband Blues'. Diese Session ist als ROIO erhältlich. Die Aufnahme stammt aus Amsterdam und wurde unter dem Titel 'Pink Floyd: Early Concerts' veröffentlicht. Der DJ John Peel war eine Kultfigur des Underground, in seiner Sendung 'Top Gear' präsentierte er ständig progressive Musikgruppen und The Pink Floyd gehörten zu seinen Stammgästen. Ihren ersten Auftritt hatten sie dort am 30.09.1967 und spielten dort zum einzigen Mal 'Apples and Oranges'. Die Session am 19.12.1967 war die letzte, an der Syd Barrett teilnahm, ab jenem 11.2.68 übernahm Dave Gilmour seinen Part engültig. Weitere Top-Gear-Autritte fanden am 25.06.68 (Erstaufführung von 'Julia Dream', 'Murderistic Woman' und 'The Massed Gadgets Of Auximedes', ROIO: Music for Architectural Students), am 14.01.1969 (Erstauführungen von 'Baby Blue Shuffle in D Major' und 'Embryo', ROIO: The Embryo) und letztmalig am 12.05.1969 statt (Aufführung von 'The Man' und 'The Journey'). Später datierte Gastauftritte bei John Peel aus dem Jahr 1970 sind Fakes, es handelte sich hier nicht um Auftritte bei der BBC sondern um reine Bandaufnahmen eines Auftritts aus dem Palais des Sports, Paris. Ebenso Vorsicht vor dem ROIO 'The Complete Top Gear Sessions': Hier fehlen massenhaft Aufnahmen und fehlende Titel wurden durch andere Aufnahmen ersetzt, der ROIO ist alles andere als komplett und das Geld nicht wert.)
Am 16. Februar kam es zu einem denkwürdigen Ereignis, welches Syd Barretts Rauswurf aus der Band engültig besiegelte: ICI Fibres Club, Pontypool, Monmouthshire. Es wurde endgültig jedermann klar, daß die gesamte Gruppe drauf und dran war, wegen Syd Barretts Problemen zugrunde zu gehen. Dieser Auftritt war der letzte von Syd Barrett, die an diesem Abend stattfindenden Ereignisse wurden im Film 'The Wall' eruiert.
Die Musiker verließen die Garderobe und gingen auf die Bühne. Syd blieb zurück, um seine Haare zu richten - er hatte damals eine äußerst ausgefallene Frisur. Anscheinend bekam er seine Haare nicht hin und schnappte sich in einem letzten Anfall von Inspiration eine Schachtel Mandrax (kleine Pillen, die er dauernd einnahm und die seinen Geist umnebelten) und zerstampfte den Inhalt. Die Krümel vermischte er mit einer ganzen Schachtel Brylcreem-Haarpomenade und verteilte diesen Mischmasch auf seinem Kopf, rasierte sich die Augenbrauen, griff seine Telecaster und ging auf die Bühne. Dort stand er wie mittlerweile gewohnt stillschweigend am Bühnenrand. Die Hitze der Scheinwerfer ließen die eigenartige Salbe auf seinem Kopf weicher werden, sie begann zu schmelzen und von seinem Kopf herunterzutropfen. Der Rest der Band konnte sich nicht mehr konzentrieren, der Auftritt wurde zu einem Fiasko. Nick Mason erinnert sich: "Es sah aus, als ob seine ganze Visage wegschmolz. [...] Wir ertrugen einen Typen, der wirklich nur noch als verdammter Irrer bezeichnet werden konnte. Und ich glaube, das waren nichtmal unsere Worte, sondern seine."
Das Datum des endgültigen Bruches ist der 2. März 1968. An diesem Abend hatten The Pink Floyd einen Auftritt in London, und Roger holte die übrigen Bandmitglieder jedesmal mit seinem Auto ab. Da Syd als einziger in der Nähe des Stadtzentrums wohnte, sollte er dieses Mal als letzter abgeholt werden. Auf der Fahrt zu seiner Wohnung wurde die Stimmung im Wagen immer schlechter, bis Roger die entscheidende Frage stellte: "Seid ihr euch sicher, daß wir ihn abholen wollen?" Und sie holten ihn nicht ab. Die Wege von Syd Barrett und The Pink Floyd trennten sich für immer.
Am 6. April 1968 wurde Syd Barretts Ausstieg aus der Band offiziell in einer Pressemitteilung bekanntgegeben. Gleichzeitig mit der Trennung von Syd änderte die Band auch ihren Namen, das 'The' fiel weg und sie nannten sich nun nur noch 'Pink Floyd'. Allerdings gab niemand auch nur einen Pfifferling auf ihre musikalische Zukunft. Sie hatten ihren musikalischen Kopf und Publikumsmagneten verloren; Syd bedeutete für Pink Floyd etwa so viel wie Jim Morrison für The Doors oder Kurt Cobain für Nirvana - so viel, daß er zu *der* Kultfigur der Psychedelik-Bewegung und Vorbild für Künstler wie David Bowie oder Marc Bolan wurde. Hinzu kam noch, daß sie seit Monaten keine erfolgreiche Single hervorgebracht hatten und die mittlerweile begonnenen Aufnahmen zu ihrem zweiten Album, 'Saucerful Of Secrets', durch den Ausstieg jäh unterbrochen wurden.
Den Rest dieses Kapitels möchte ich Syd Barretts weiterem Werdegang widmen.
Syd zog bei Storm Thorgerson in seine Wohnung bei der Underground-Station South Kensington ein. Storm sagte dazu in einem Interview mit Nicholas Schaffner: "Als er einzog, war er schon ziemlich hinüber. Es wechselte ständig - mal war er normal, mal nur halbwegs normal. Ich hatte damals weder besonders viel Ahnung von Psychologie, noch war ich in der Lage, damit zurechtzukommen. Wir flippten alle auf dem Höhepunkt der psychedelischen Welle in London herum, es war eine extrem aufregende Zeit, und die Hälfte der Leute war die Hälfte der Zeit völlig weggetreten. Jeder war auf seine eigene Art bekloppt. Wir waren alle verdammt labil, um es vorsichtig auszudrücken. Jedenfalls hatte keiner den Nerv, einen Freund, mit dem er aufgewachsen war, als 'verrückt' zu bezeichen. Sofern er nicht sabberte und Leute zusammenschlug hielt man sich bedeckt. [...] Syd kam diesen Kriterien bei einem besonders schrecklichen Zwischenfall am nächsten, als er mit einer Mandoline auf den Kopf seiner Freundin einschlug. Sie lag schreiend auf dem Boden, während er breitbeinig über ihr stand und sie nach unten drückte. Wir mußten ihn von ihr wegzerren und ihm die Mandoline abnehmen. Dies war der letzte einer ganzen Reihe furchtbarer Kräche, wegen denen unsere Beziehung zueinander zerbrach."
Daraufhin zog Syd in eine Wohnung im Earl's Court und kapselte sich ab. Die Mädchen rannten ihm noch immer hinterher, Syd jedoch verbohrte sich immer mehr in die Angst, irgendwann als Versager zu enden. Bryan Morrison nahm in unter seine Fittiche und managte ihn in der nächsten Zeit.
Im März 1969 schien Syd sich wieder ein wenig gefangen zu haben und Bryan Morrison lies die Abbey Road Studios wissen, daß Syd wieder eine Platte aufnehmen wolle. Diese Ankündigung stieß auf Begeisterung von Seiten der Plattenbosse und man nahm Syd prompt unter Vertrag (kein Wunder, denn er hatte die Hit-Singles von Pink Floyd geschrieben und seine Kollegen hatten ohne ihn nicht einen einzigen Hit zusammengebracht). Die Begeisterung wuchs noch, als Syd einige Songs vorstellte, 'Terrapin', 'Opel' und 'Clowns And Jugglers' (letzteres erschien unter dem Namen 'Octopus'). Die Aufnahme-Sessions zu dem Album 'The Madcap Laughs' begannen am 10. April 1969.
Zu Beginn der Aufnahmen schäumte Syd vor Enthusiasmus geradezu über und spielte sechs Nummern ein, von denen eine jede Hit-Potential hatte. Die erste dieser Nummern war 'Opel', ein Song, der höchstwahrscheinlich zu einem völligen Überflieger geworden wäre (und von vielen als der beste Barrett-Song bezeichnet wird) ... wenn Syd sich später nicht dazu entschieden hätte, 'Opel' nicht auf dem Album erscheinen zu lassen. Syds Experimentierfreudigkeit nahm nie dagewesene Formen an und bescherte dem Produzenten schlaflose Nächte, weil Syd dabei keine Rücksicht auf die Toningenieure nahm. Er spielte und spielte, und man konnte spüren, daß er auflebte.
Anfang Mai kam es zur ersten produktiven Aufnahmesession. Syd holte 'The Soft Machine' ins Studio und spielte zusammen mit ihnen 'No Good Trying' und 'Love You' auf (Anm.: Es gab vertragliche Probleme, weshalb die Band auf dem Cover von 'The Madcap Laughs' nicht genannt werden durfte).
Die Bosse von EMI wurden allmählich etwas mißgelaunt, da die produktiven Arbeiten am Album sehr schleppend vor sich gingen und jeder Tag eine Stange Geld kostete. Syd wandte sich an Roger Waters und David Gilmour und die beiden sagten zu. Auf die Schnelle wurde das Album von ihnen vervollständigt ('Octopus' und 'Golden Hair') und Dave mischte 'The Madcap Laughs' ab.
Das Album wurde zu einem großen Erfolg in England, die Presse zeigte sich begeistert. Motiviert hierdurch begannen Syd und Dave sofort damit, eine weitere Soloplatte zu planen.
Dieses zweite Album wurde 1970 von David Gilmour und Rick Wright produziert und trug den schlichten Titel 'Barrett'. Rick spielt auf dem Album die Keyboards, Dave den Bass. Das Album wurde sehr professionell und kontinuierlich produziert - und genau das wurde zum Stolperstein. Syds zusammenhangsloses Gitarrenspiel beeinträchtigte die Produktion gewaltig, seine Angewohnheit, einen Song niemals zweimal auf die gleiche Art und Weise zu spielen, lies Dave und Rick beinahe verzweifeln. Es endete damit, daß Syd einzelne Soli spielte und Dave und Rick diese irgendwie zu arrangieren versuchten - am besten merkt man dies bei 'Dominoes'. Mitten im Song hörte Syd einfach mit dem Spielen auf, Dave und Rick arbeiteten alleine weiter (man vergleiche 'Dominoes' mit den Aufnahmen auf 'More'...).
Wenn man sich diese beiden Platten heute anhört, bemerkt man, daß sie bezüglich der Kompositionen dem 'Piper'-Album locker das Wasser reichen können, es stellenweise gar übertreffen; handwerklich sind sie aufgrund Syds zunehmender Unfähigkeit zusammenhängend zu arbeiten sehr schlecht.
Das Cover von 'The Madcap Laughs' stammt übrigens aus Storm Thorgersons 'Hypgnosis'-Schmiede. Aufgenommen wurde das Foto in Syd Barretts Wohnung und stellt einen Schnappschuß dar. Laut Storms Aussage war das nackte Mädchen im Hintergrund nicht gestellt sondern hielt sich zufällig in der Wohnung auf.
1971 floh Syd Barrett aus seiner gewohnten Umgebung und zog zu seiner Mutter nach Cambridge.
1972 überredete ihn sein Nachbar Twink zur Gründung einer neuen Band namens 'The Stars'. Der erste und einzige Auftritt der Band ging in die Hose, Syd rastete aus. Er spielte nie wieder mit irgendjemandem fest zusammen. Er tauchte komplett unter und begann mit der Malerei.
In den folgenden zwei Jahren konnte er beobachten, wie sich ein Fankult um ihn entwickelte. Noch 1972 wurde die 'Syd Barrett Appreciation Society' gegründet, die ein Fanzine mit dem Titel 'Terrapin' sponsorte und welches in allen Kiosken und Zeitschriftenläden zu finden war, selbst in Israel, der UdSSR, Südamerika und Asien krochen die Fans aus ihren Löchern. Im Rolling Stone und im New Musical Express wurde ernsthaft über Barrett-Sichtungen berichtet, ganz in der Tradition von Elvis Presley. Aber das Idol einer ganzen Generation war nirgendwo aufzutreiben.
Mangels Informationsmaterial wurde 'Terrapin' 1976 eingestellt.
Geldprobleme hatte Syd Barrett keine. Mittlerweile hatte man die ersten beiden Floyd-Alben zu dem Doppelalbum 'A Nice Pair' zusammengefasst, diverse Musiker brachten Barrett-Songs auf ihren Alben heraus (z.B. David Bowie 'See Emily Play' auf 'Pin Ups') und Syd konnte von den Tantiemen gut leben. (Anm.: Bis heute dienen Syds Lieder noch vielen als Vorlage, zum Beispiel wird man bei 'The Jesus And Mary Chain' mehrfach fündig. Seine am meisten gecoverten Songs sind 'Octopus' und 'Astronomy Domine'.)
Syd wurde immer mehr zu einem in sich zurückgezogenen Menschen. Die meiste Zeit verbrachte er damit, den Fernseher anzustarren (von Roger Waters auf 'The Wall' wissentlich verarbeitet) und den Kühlschrank zu plündern; er wurde zunehmend dicker. Man bezeichnete ihn als 'Fettkloß'. Er zog sich in die 'Chelsea Cloisters' zurück und begann, sein Hab und Gut zu verschenken. Als Pink Floyd mit 'Dark Side Of The Moon' den endgültigen Durchbruch hatten, brachten EMI seine beiden Soloalben als Doppelalbum mit dem Namen 'Syd Barrett' auf den Markt und Storm Thorgerson macht sich auf den Weg zu dem 'Kloster', um Fotomaterial für das Cover zu besorgen - und wurde von Syd ziemlich unsanft wieder vor die Tür gesetzt.
Syd war geistig mittlerweile endgültig hinüber und wechselte zwischen Paranoia und Schizophrenie. Ein Versuch von Peter Jenner, mit ihm ein weiteres Album aufzunehmen, ging schon in den Ansätzen schief - Syd brachte es nicht einmal fertig, Saiten auf seine Gitarre zu spannen. 'Es war traurig', sagt Jenner, 'Manchmal entstand etwas aus diesem Chaos und der Konfusion, das Bruchstück einer Melodie, der Fetzen eines Textes. Gelegentlich hatte sein kranker Geist lichte Momente. Die Blumen wuchsen noch, aber er konnte sie nicht pflücken." Nach Aussage seines Vermögenverwalters war es 'schmerzhaft deutlich, daß die Welt der Erwachsenen zu grausam, zu korrupt und vor allem zu irreal für Syd Barrett war'.
Im Oktober 1979 zog Syd endgültig wieder zu seiner Mutter nach Cambridge. Kurz darauf sah ihn auch seine enge Freundin Susie Wynne Wilson zum letzten Mal. Syd zog sich endgültig aus der Öffentlichkeit zurück und sein geistiger Zustand erreichte ein Stadium, daß er ständig geistig abwesend erschien und sich von der Realität vollkommen abschottete.
1983 gab es Gerüchte, daß 'Syd Barrett Ende letzten Jahres tot vor seiner Haustür' gelegen hätte. Dieses Gerücht stammte von der Zeitschrift 'Sounds'. Etwa zu diesem Zeitpunkt schlief auch der Kontakt zu seinem letzten Freund David Gilmour ein. In dieser Zeit entstand auch der 'New Wave' und Barrett wurde zu einer seiner Leitfiguren erkoren. 'The Jesus And The Mary Chain' brachten 'Vegetable Man' neu heraus; eine andere Band, 'The Soft Boys', setzte unverholen auf ein Syd Barrett-Image und produzierten einen Tribut an ihn ('The Man Who Invented Himself').
1987 taten sich einige Barrett-Jünger (so bezeichnen sie sich selbst) zusammen und produzierten ein komplettes Tribut-Album. Es handelte sich hierbei um die Bands 'The Shamen', 'The Mock Turtles', 'Death Of Samantha', 'T.V. Personalities' und 'The Green Telescope', das Album trägt den Titel 'Beyond The Wildwood' (ein weiteres Kapitel aus 'Der Wind in den Weiden') und enthält 17 Coverversionen von Syd Barrett-Titeln. Die T.V. Personalities trieben es mit ihrem Kult übrigens am weitesten; 1984 dienten sie David Gilmour als Vorgruppe auf seinen Konzerten in London und wurden von ihm gefeuert. Sie begnügten sich nicht damit, 'See Emily Play' und andere Barrett-Titel zu spielen; Dave kündigte den Vertrag, weil sie ständig Syd Barretts Wohnadresse am Bühnenrand verlasen.
Des weiteren brachte noch eine Band namens 'Gates Of Dawn' ein weiteres Album mit Barrett-Songs heraus, REM coverten 'Dark Globe', die Heavy-Metal-Band Voi Vod brachte auf dem Album 'Nothingface' den Titel 'Astronomy Domine' in einer hervorragenden Version erneut auf den Markt, 'Sonic Youth' coverten 'See Emily Play' als Single-Rückseite. In Italien und Frankreich schossen neue Biographien aus dem Boden, in England wurde drei neue Fanzines aus den Markt gebracht ('Clowns And Jugglers', 'Opel', 'Dark Globe'). Der Kult lebte wieder auf und die EMI reagierte prompt und brachte unter dem Titel 'Opel' 1988 eine Kollektion von Uralt-Material auf den Markt. Der Höhepunkt wurde einige Zeit später mit einem empfehlenswerten Box-Set, bestehend aus den Alben und zusätzlichem Material, erreicht.
Anfang der 90er Jahre begann sich Syds Zustand zu bessern, aber diesem Anflug von Hoffnung setzte 1992 der Tod seiner Mutter ein jähes Ende. Im November 1992 wurde das letzte offizielle Foto von Syd Barrett gemacht -ein Schnappschuß von ihm auf der Straße.
Ich möchte dieses Kapitel nun mit den Worten von Nicholas Schaffner beenden:
'In Cambridge, versteckt in seiner bescheidenen Doppelhaushälfte am Ende einer Sackgasse, führt der Mann, der Pink Floyd den Namen gab, ein stilles, zurückgezogenes Leben. Von seinem alltäglichen Hobby und Zeitvertreib verraten nur die unvollendeten Leinwände - in einem Stil bemalt, der zumindest abstrakt ist -, daß es sich bei ihm um einen Menschen von ungewöhnlicher Sensibilität handelt. Seine restliche Zeit verbringt Roger Barrett mit der Pflege seines geliebten Gartens und seiner Münzsammlung; er sieht fern und liest (von Shakespeare angefangen über die aktuellen Tageszeitungen bis hin zu Ratgebern für Heimwerker und Lehrbücher für Mathematik); und er verpaßt seinem gemütlichen Heim immer wieder einen neuen Anstrich, eine neue Tapete. Er hat seit Jahren keine Gitarre mehr berührt und die einzige Musik, die er hört, ist Jazz und Klassik - niemals Pop oder Rock'n'Roll. Dieser korpulente, erkahlende Mann mittleren Alters ist sich nicht völlig im unklaren über dieses andere Leben, das er als 'Syd' geführt hat, oder die anhaltende Fasination für das Werk und Vermächtnis seines ausgelöschten Alter egos. Aber die nachklingenden Erinnerungen sind selten von Gefühlen der Freude oder Befriedigung begleitet; abgesehen von der Erinnerung an Amerika - er freut sich wie ein Schneekönig, daß er dieses ferne Land besucht hat. Was den Rest betrifft, so war es ein schwieriges und anstrengendes Leben, das er keinem anderen wünschen würde, am allerwenigsten sich selbst. Dennoch bringen Syds Floyd-Platten noch immer genug ein, um Roger Barretts bescheidene Bedürfnisse und Vergnügungen zu finanzieren; er geht nur selten einkaufen und das Geld auf der Bank bedeutet ihm nichts. Nur gelegentlich denkt er an seine alten Freunde Dave, Rick, Nick - und Rog. Jeder Syd-Freak, der so vermessen sein sollte, ihn aufzuspüren, wird allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit vor verschlossenen Türen stehen; auf jeden Fall wird ihm Roger Barrett nichts zu sagen haben. Während seine Familie und seine wenigen Freunde froh darüber sind, daß es ihm mit jedem Jahr "besser geht", ist es noch immer äußerst schwierig für ihn, gleichgültig auf welcher Ebene, eine Beziehung zu anderen Menschen herzustellen oder mit ihnen zu kommunizieren. Aber, obwohl er selten die Grenzen seines englischen Gartens überschreitet, ist der Mann, der einst Syd war, zur Ruhe gekommen und innerlich zufrieden - und fast betont normal, während er sein einfaches, müßiges Leben führt. Manchmal träumt er sogar davon, bald gesund genug zu sein, um einen achtstündigen Bürojob in London annehmen zu können, und jeden Tag in die große Stadt zu pendeln.'
- (c) 1993-2000 Ralf Ramge -